Adalbert Stifter in Traun
Seit 1848 lebte Adalbert Stifter in Linz. Er ist der bedeutendste Dichter Oberösterreichs – geboren in Oberplan im Böhmerwald. Obwohl er mit der bürgerlichen Revolution 1848 zweifellos sympathisierte, war ihm Wien zu unruhig geworden. Jedoch konnte er vom Schreiben allein nicht leben, er brauchte einen „Brotberuf“. Vom damaligen eher liberalen k. u. k. Statthalter Dr. Aloys Fischer, übrigens dem einzigen bürgerlichen Statthalter, den Oberösterreich jemals hatte, wurde er zum Inspektor der oberösterreichischen Volksschulen bestellt, später auch zum Landeskonservator (Kefermarkter Altar).
In zahlreichen Inspektionsfahrten verschaffte sich der „k. k. Schulrath“ Stifter große Kenntnisse über die Lage des Schulwesens im Lande. Er regte die Verbesserung der Lehrerausbildung und Lehrerbesoldung an, ebenso jene des Unterrichtes und schlug zahlreiche Renovierungen und Schulneubauten vor. Besonderen Wert legte er auf LESEN und KOPFRECHNEN. Er verlangte, dass die Schule „das fürs Leben Brauchbare“ vermittelt. 1850 erhielt allerdings die Kirche wieder die Oberaufsicht über die Schulen und die Möglichkeiten Stifters wurden stark eingeschränkt.
Am 24. März 1852 führte ihn die Inspektionsreise nach Traun. Damals war das „Schraubstockmacherhaus“, heute Bahnhofstraße 19, Schulhaus. Durch die beginnende Industrialisierung hatte Traun eine rasch steigende Bevölkerung und Schülerzahl. 100 und mehr Kinder in einem Raum waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Allerdings war der Schulbesuch sehr nachlässig, die Kinder mussten als billige Arbeitskräfte in den Fabriken und in der Landwirtschaft arbeiten. In Traun gab es Halbtagsunterricht, da der „Ganztagsunterricht für Industrie und Landwirtschaft nachteilig sei“. Stifter verlangte ganztägigen Unterricht als Regel und referierte das bei Statthalter und kirchlicher Behörde. Konflikt gab es in Traun auch mit der Leitung der Firma Gebrüder Enderlin u. Torricelli. Die Firmenleitung verlangte die Einführung einer Abendschule, für die im Betrieb arbeitenden Kinder. Stifter lehnte dies ab, da für Kinder unter 12 Jahren die gesetzliche Schulpflicht gilt. Für Kinder von 12 bis 18 Jahren gab es die Sonntagsschule.
Stifter dürfte auch den Neubau der Volksschule angeregt haben. Jedenfalls wurde 5 Monate nach Stifters Inspektion ein Grundstück am Kirchenplatz erworben und eine Schule für 2 Klassen und eine Lehrerwohnung gebaut.
Noch einmal beschäftigte sich der Herr Schulrat Stifter mit Traun: bei einem Inspektionsbesuch in Aschach im Jahre 1858 traf er in der 2. Klasse die Söhne eines verstorbenen Taglöhners, 10 und 11 Jahre, „welche in Hinsicht auf ihr Alter fast völlig unwissend waren“. Die Ursache war, dass sie vorher „in der Aumühle in St. Martin bei Traun keine Schule besuchten, sondern bei Cubo und Schimak in der Fabrik arbeiteten“. – Cubo und Schimak waren die Gründer der Firma; nachmals Gabler.
Übrigens besuchte auch Stifters Freund und späterer Herausgeber seines Nachlasses, sowie Verfasser einer Stifter-Biografie, Johann Aprent, als Schulinspektor Traun. Zum Beispiel 1880 die evangelische Privatschule in der Bahnhofstraße.
Ich bedanke mich bei Herrn Mag. Stephan Gaisbauer vom Adalbert Stifter Institut in Linz für die zur Verfügung gestellten Unterlagen.
Ing. Georg Sayer