Die Evangelische Schule Traun
Als 1781 Kaiser Josef II. sein berühmtes Toleranzpatent erließ und damit nach mehr als 200 Jahren den evangelischen Glauben in den österreichischen Erblanden tolerierte, – Toleranz mit vielen Einschränkungen, beileibe keine Gleichberechtigung – gab es auf dem heutigen Trauner Gemeindegebiet kaum Anhänger Luthers, in der Sprache jener Zeit „Akatholische“. Lediglich in Wagram, damals ein Ortsteil von Traun, waren einige bäuerliche Familien im Geheimen 200 Jahre protestantisch geblieben – „ Krypto-Protestanten“.
1844 kamen die Brüder Enderlin und Herr Toricelli aus der Schweiz nach Traun, kauften einen kleinen Betrieb am Mühlbach und bauten die größte Stoffdruckerei des Landes Ob der Enns auf. Viele Facharbeiter kamen aus der Schweiz: Handdrucker, Bleicher, Formstecher (Anfertiger der Druckstöcke). Diese Arbeiter waren evangelisch, allerdings nach der Lehre Calvins, also HB.
Bis zum Reichsvolksschulgesetz von 1869 standen die österreichischen Schulen unter Aufsicht der katholischen Kirche – „geistliche Vogtei“. Der Lehrer, „Schulgehilfe“, war oft auch Mesner, der viele geistliche Hilfsdienste erledigen musste: Läuten, Absammeln, Uhr aufziehen, Säubern und Ausbessern der Kirchenwäsche u. ä. Daher gingen die evangelischen Kinder ganz überwiegend nach Thenning in die evangelische Schule – natürlich nicht immer, bei großer Kälte oder schlechtem Wetter blieben sie zuhause.
Nach dem Zuzug der evangelischen Schweizer mit ihren Familien war die Errichtung einer evangelischen Schule in Traun vordringlich geworden. Peter Prummer, in der evangelischen Toleranzgemeinde Wallern geboren, Besitzer der Grieslermühle in Traun, evangelisch und voller Zorn auf die katholische Kirche, stellte einen Raum in seiner Mühle für die Schule zur Verfügung. 33 Kinder besuchten erstmals 1851 den Unterricht des neuen evangelischen Lehrers Martin Ecker. Trotz großer Geldsorgen und zahlreicher bürokratischer Schwierigkeiten, aber unter großer Hilfe Peter Prummers wurde bereits am 26.12.1851 die neue Schule in der heutigen Bahnhofstraße Nr. 78 feierlich eröffnet.
Im Erdgeschoß befand sich die Lehrerwohnung, im 1. Stock ein Klassenzimmer – 8 Jahrgänge, 60 und mehr Kinder, ein Lehrer – und ein Betsaal. Der Lehrer war schlecht bezahlt, oft mit Naturalien, Mehl, Fett u. ä. und wenig angesehen, da er „Nichts zum Einspannen hatte“, wie es ein Lehrer in seinen Erinnerungen formulierte.
Erst 1909 wurde – bei 80 Schülern – ein zweites Klassenzimmer eingerichtet und ein zweiter Lehrer angestellt.
1914/15 wurde eine neue Schule gebaut. Spenden aus Traun, Thenning, Wagram, auch von vielen Katholiken und von Vereinen, machten den Schulbau im Ersten Weltkrieg möglich.
Schon 1915 wurde die neue Schule in der heutigen Dr. Knechtl-Straße eingeweiht, das alte Schulgebäude an die Firma. Gebrüder Enderlin verkauft.
Überhaupt war die Firma Gebrüder Enderlin ein großer Gönner der evangelischen Schule und der zumeist sehr armen Schüler.
Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurden sämtliche Privatschulen aufgelöst, auch die evangelische Schule Traun. Die Räume wurden nunmehr von der öffentlichen Schule genützt, auch noch nach dem fürchterlichen Zweiten Weltkrieg. Die evangelische Schulgemeinde hatte 1945 darauf verzichtet, die Privatschule weiterzuführen.
Oskar Scheinert, Nachkomme eines evangelischen Lehrers, und Karl Melzer, ein Siebenbürger Sachse, haben 1967 und 1988 in Aufzeichnungen die Geschichte der Evangelischen Kirche Traun für die Nachwelt erhalten. Ihnen ist zu danken.
Ing. Georg Sayer